DAIM // City Nord
MIRKO REISSER (DAIM) im Skulpturenpark sculpture@citynord
Mirko Reisser – Die Mauersprengung 2006
Mirko Reisser setzt sein Pseudonym in vielfältiger Weise um: auf Mauern, Leinwänden, Skateboards, T-Shirts und in Grafiken – DAIM. Vier Buchstaben sprengen den Farbgrund, drohen, vom Bildgrund zu fliehen, ragen in ihrer Dreidimensionalität weit in den Betrachterraum, besetzen und sprengen ihn gleichzeitig, und doch ist die Bildkomposition seiner Arbeiten stets so angelegt, dass eine Einheit gewahrt bleibt. Die Unruhe der selbständigen Buchstaben wird von einer farblich abgestimmten Komposition gebändigt: Die Buchstaben D, A, I und M bewegen sich innerhalb dieses Spannungsverhältnisses von strenger Komposition und zu platzen drohender Flüchtigkeit. Seine Styles sind so fein nuanciert, dass die Buchstaben eine Körperhaftigkeit erlangen, sie sind durchdacht arrangiert und bilden ein sensibles Licht- und Schattenspiel.
Ungeachtet der Vielfältigkeit in der Graffitiszene, eingegliedert in das bunte (begriffliche) Repertoire von Street Art, ist das „klassische“ Graffiti zunächst einmal zweidimensional. Die Herausforderung einer Graffiti-Skulptur besteht also in der Umsetzung einer üblicherweise auf Mauern und Wänden zu findenden Ausdrucksform in den Raum.
Für die Graffiti-Skulptur in der City Nord, die als einzige Arbeit des Projektes heute noch zu besichtigen ist, verzichtete Mirko Reisser auf das sich zunächst anbietende Modellieren oder Mauern der Buchstaben, die in einem zweiten Schritt besprüht werden. Die Grundlage ist immer noch eine gemauerte rechteckige Wand mit einem schmalen horizontalen Auslauf zur Strasse, der dem D Platz bietet. Der scharfkantige, in Rot und Abstufungen von Schwarz über Grau nach Weiß gehaltene Style läuft dann einmal um die ganze Mauer herum. Für das A wurden auf der Mauer und an der Seite Mauerelemente reliefartig angestückt, um dem Buchstaben Platz für sein dynamisches Ausbreiten zu geben. A und I tauchen auf beiden Seiten auf. Raumgreifend wird die Arbeit durch drei aus Beton gegossene, in kleinem Abstand zur Mauer stehende Elemente, die die Buchstaben, auf der Vorderseite das A, auf der Rückseite das M, von ihrer Wandhaftung befreien und sie in die dritte Dimension überführen.
Um die Buchstaben in der richtigen Reihenfolge lesen zu können, ist der Betrachter gezwungen, die Mauer einmal aus der Distanz ganz zu umschreiten. Allansichtigkeit ist ein für frei stehende Skulpturen immer wieder eingefordertes Kriterium. Für diese Arbeit bedeutet dies zusätzlich, dass sie auch aus den vorbeifahrenden Autos in beiden Verkehrsrichtungen frontal gesehen wird. Gerade für Graffiti-Künstler ist der Ort, den sie für ihre Schriftzüge wählen, entscheidend, markiert er doch das Revier des Künstlers, der durch seinen Namen ein klares Zeichen hinterließ: „Ich war hier!“
Robin Hemmer, 2006
Mit dem Pilotprojekt sculpture@CityNord (14.05.06 – 24.09.06) hat ein außergewöhnliches Kunstprojekt in der City Nord stattgefunden. Es war das erste Projekt dieser Größenordnung, das in Hamburg aus rein privaten Mitteln finanziert worden ist.
Der Galerist Peter Borchardt und der Kurator Rik Reinking hatten mit der Grundeigentümer-Interessengemeinschaft City Nord GmbH (GIG) einen Gesprächspartner gefunden, der bereit war, neues Terrain zu betreten und ungewöhnliches zu wagen. Alle Beteiligten sahen in dieser Konstellation eine besondere Herausforderung.
Rik Reinking ist es mit seiner Auswahl an Künstlerinnen und Künstlern gelungen, die City Nord Hamburg zu einem lebendigen Kulturstandort zu entwickeln und die öffentliche Wahrnehmung zu verändern. Insgesamt haben ca. 70 national und international renommierte Künstlerinnen und Künstler das Projekt als Plattform genutzt. Unter Ihnen waren auch einige Hamburger Nachwuchskünstler und Künstlerinnen, die durch das Projekt internationale Verbindungen knüpfen konnten.
sculpture@CityNord wurde während der Laufzeit von 133 Tagen von einem vielschichtigen Begleitprogramm mit ca. 45 Veranstaltungen flankiert: u.a. mit einem Symposium in Zusammenarbeit mit der HFBK, wechselnde Zusatzausstellungen im Expo-Container, diversen Performances, Filmabenden, Videoprojekten und Konzerten.
Das Projekt wurde ständig durch Mitarbeiter vor Ort betreut, die als Ansprechpartner für Fragen und Informationen verfügbar waren. Darüber hinaus gab es ein breit angelegtes Vermittlungsangebot mit Künstlergesprächen, einer Zeitung, die in drei Auflagen erschien, einer informativen Webseite, und einer Audioführung, die von mehr als 10.000 Interessierten genutzt worden ist. Besonders groß war das Interesse an den angebotenen Führungen, das sowohl vom Fachpublikum wie Museumsdirektoren, Künstlern und Kuratoren als auch von Schulklassen, Institutionen und anderen Interessierten in Anspruch genommen wurde. Im Anschluss an das Projekt wurde vom MODO Verlag ein dokumentierender Katalog herausgegeben.
sculpture@CityNord war ein Pilotprojekt, das bundesweit für Aufsehen sorgte und durch das ein weitreichendes Interesse an „Kunst im öffentlichen Raum“ nachgewiesen werden konnte. Es ist gelungen, eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit zu erreichen und tausende Besucher in die City Nord zu holen, obwohl das Terrain recht weit außerhalb des Innenstadtbereiches liegt. Das Interesse war anhaltend und hat sich über die Laufzeit von vier Monaten noch gesteigert. Dies zeigt sich auch in den zahlreichen Presseberichten, die deutschlandweit erschienen. Neben zahlreichen Beiträgen in Zeitungen, Magazinen und Rundfunk gab es auch diverse Berichte im Internet und verschiedene Fernsehbeiträge.